Mūla Bandha – die Kraft im Becken
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19.04.2018 11:00
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Kategorie: Ashtanga Yoga, Themenorientierter Unterricht
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Mūla Bandha – die Kraft im Becken

Bandha ist ein Sanskritbegriff und eine Praktik aus dem Haṭha Yoga. Bandha meint so viel wie Band, Faden, Verschluss, Kontraktion, verbinden oder binden. Die Haṭha Yoga Pradīpikā nennt vier unterschiedliche BandhaJālandharaMūlaUḍḍīyāna und Mahā Bandha

Wie wir bereits in einem Blogbeitrag dargestellt haben, ist Bandha im Allgemeinen eine Spannung, mit deren Hilfe wir uns gegen die Schwerkraft aufrichten. Wir ziehen sozusagen unseren Körper auf. Mit den Worten der Haṭha Yoga Pradīpikā ausgedrückt: „So wird die absteigende Energie (Apana) nach oben gezogen“.

Mūla Bandha – die Verbindung zur Wurzel

Mūla ist die Wurzel und befindet sich körperlich in unserem Becken. Genauer gesagt handelt es sich beim Mūla Bandha um die Integration des Beckenbodens in unser Üben. 

Die Haṭha Yogis beschreiben das Mūla Bandha wie folgt:

Während der Yogi den Beckenboden mit einem Teil der Ferse presst, soll er den Anus anspannen. |
So wird die absteigende Energie (Apana) nach oben gezogen. Dieses wird der Wurzel-Verschluss (Mulabandha) genannt. ||61|| 

In diesen Sätzen der Haṭha Yoga Pradīpikā wird deutlich, dass das Mūla Bandha etwas mit dem Beckenboden zu tun hat und dass, mit der Anwendung von Mūla Bandha, absteigende Energie nach oben gezogen wird.  

In den nächsten Sätzen der Haṭha Yoga Pradīpikā wird beschrieben, dass sich diese Energie wie eine Schlange aufrichtet, indem sie sich die Wirbelsäule nach oben bewegt:

Auf diese Weise wird die schlafende Kundalini stark erhitzt und erwacht |
genau wie eine Schlange, die mit einem Stock geschlagen wurde, zischt sie und richtet sie sich auf. ||68|| 

Wir sehen, dass auch die alten Texte von Spannung sprechen, die etwas nach oben zieht und aufrichtet. Die Bezeichnung Mūla also Wurzel ist hier besonders faszinierend. Der Beckenboden ist der Bereich in dem die schlafende Energie erwacht und nach oben steigt. Der Beckenboden beinhaltet das Wort Boden, da dieser unsere Wurzeln behütet. Diese Wurzeln können gedeihen und wachsen, wie ein Baum, der sich zunächst fest mit der Erde verbindet, bevor er seine Energie zum Aufrichten nach oben nutzt. Damit die Wurzeln sich ausdehnen und gedeihen können, müssen sie gepflegt werden. Einen Hinweis zur Pflege unserer Wurzeln kann uns die Bedeutung und Symbolik des ersten Chakras (cakra = Rad, Kreis, Diskus) geben. 

Das Behältnis unserer Wurzel – das Mūlādhāra Cakra

Verschiedene alte Traditionen sprechen von Energien und beschrieben sie in Form einer Energielehre oder -medizin. In diesen alten Weisheiten werden Chakras als Energietore erwähnt. Das erste Chakra heißt Mūlādhāra und entspringt im Beckenboden. Ādhāra heißt Grundlage, Behälter oder Halt. Das erste Chakra ist damit das Behältnis und der Halt unserer Wurzeln. Es ist unsere Basis, das Fundament mit dem wir unseren Weg im Leben finden und auf unseren eigenen zwei Beinen stehen. Das Mūlādhāra Chakra unterstützt unsere Fähigkeit mit beiden Beinen fest auf dem Boden und im Leben zu stehen. Es vermittelt uns Stabilität, Sicherheit und Mut, sodass uns nichts so schnell umhauen kann. 

Die Muskeln des Mūla Bandha

Ein Gebilde aus drei Muskeln im Beckenboden ist für das Mūla Bandha von Interesse. Diese Muskeln bilden drei Schichten, die wie ein Teppich im Becken eingewebt und verschlungen sind.

Die äußerste Schicht des Beckenbodens ist die Damm Muskulatur. Sie zieht sich wie eine acht um die Ausgänge von Darm und Sexualorgan. Dieser Muskel dient als Schließmuskel. Der äußerste Teil des Beckenbodens ist der wohl am zugänglichste für die Menschen. Er wird angespannt und damit spürbar, wenn wir auf Toilette müssen, den Drang aber aufhalten. Sind wir dann auf der Toilette, müssen wir die Damm Muskulatur entspannen, damit wir uns entleeren können. 

Die mittlere Schicht ist das Diaphragma urogenitale. Dieser Muskel verbindet die beiden Sitzbeinhöcker miteinander. Die Sitzhöcker sind kleine, knöcherne Vorsprünge, die spürbar werden, wenn wir sitzen und uns auf den Pobacken hin und her bewegen. Durch Anspannung dieses Muskels ziehen die Sitzbeinhöcker zueinander. 

Das Diaphragma pelvis ist die innerste Schicht des Beckenbodens. Dieser Muskel zieht vom Steißbein bzw. Kreuzbein zum Schambein. Dadurch bilden die inneren zwei Schichten ein Kreuz mit einer Linie von rechts nach links (Diaphragma urogenitale) und einer Linie von vorne nach hinten (Diaphragma pelvis). Durch Aktivierung dieses Muskels wird das Steißbein/Kreuzbein nach vorne zum Schambein gezogen, wodurch die Lendenwirbelsäule eine Aufrichtung erfährt. Dadurch fungiert dieser Bereich des Beckenbodens als Stabilisierung für den unteren Rücken. Das Diaphragma pelvis wirkt entgegen der natürlichen Lordose, schafft Länge und richtet das Becken auf. 

Diese innerste Schicht des Beckenbodens ist der Teil des Mūla Bandha, den wir anspannen möchten. Gleichzeitig kann Weite bestehen bleiben, weil die anderen Bereiche des Beckenbodens (vor allem das Diaphragma urogenitale) entspannt bleiben. 

Wofür der Beckenboden alles zuständig ist, wird an den vielseitigen Funktionen deutlich:

  • Stütze für die Organe (verhindert das Absinken der inneren Organe)
  • Halt vor Druck nach unten (Niesen, Lachen, etc.)
  • Schutz und Länge für den unteren Rücken
  • Schützt und stabilisiert das Iliosakralgelenk (ISG) 
  • Schutz vor Inkontinenz (verhindert ungewollte Ausscheidungen)
  • Verbessert die Sexualität und den Orgasmus
  • Massage der Prostata
  • Verbessert die Haltung, richtet auf, stabilisiert, balanciert

Die Wurzel gedeiht im Boden

Eine Pflanze wächst dann, wenn sie sich stabil im Boden verwurzelt hat. Sie beginnt von unten zu wachen und zu keimen. Eine Pflanze wächst nicht von oben nach unten, sondern aus der Erde zum Himmel. Ist eine Pflanze schlecht verwurzelt, wird sie schnell abknicken oder vom Winde verweht. So wie eine Pflanze können wir uns auch fest verwurzeln und mit beiden Beinen fest auf der Erde stehen. Mit dieser Grundlage, unserem stabilen Fundament, können wir uns weiter nach oben orientieren. Unsere Beckenbodenmuskulatur sind unsere Wurzeln, die wir im Boden des Beckens eingraben. Dadurch ziehen wir unsere Wirbelsäule von unten Richtung Becken. Eine Gegenkraft kann dann erst unseren Wirbelsäule Richtung Kopf erweitern, sodass sie, wie der Stamm eines Baumes, in die Länge wächst.  

Was der Beckenboden noch so zeigt

Die Funktion des Beckenbodens zeigt uns sehr deutlich, dass es sinnvoll ist über Handlungskontrolle zu verfügen. Wir können meist bewusst entscheiden, wann wir auf Toilette gehen oder wann besser nicht. Damit treffen wir im Beckenboden die Prinzipien von Anspannung, Halten, Aufhalten, Zurückhalten, Schließen auf der einen Seite und Entspannung, Lösen, Loslassen, Öffnen, Herauslassen auf der anderen Seite. Diese Gegensätze sind Notwendigkeiten, um die Funktionalität des Beckenbodens zu gewährleisten. Durch die Balance dieser Pole entsteht Lebendigkeit. 

Wir können uns fragen, ob einer dieser Pole in unserem Leben überwiegt und uns dadurch unausgeglichen macht. Ist da zu viel Spannung, weil wir etwas zurückhalten oder zu wenig Spannung, weil wir zu offen und durchlässig sind? Vielleicht kann uns die Beschaffenheit unseres Beckenbodens einen Hinweis darauf geben, ob wir uns im Leben mehr Halt, Schutz und Zurückhaltung gönnen sollten oder eher davon profitieren, wenn wir uns Luft machen, etwas los werden, uns öffnen und loslassen.  

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