Heute gehe ich zum Yoga!
Es ist Herbst 2022 und die Zeit vergeht. Was für eine gewaltige Zeit; mit Pandemie, Krieg, Energiekriese, schwerer Krankheit bei Mama, das Sterben von Freunden, Geschäfte, die schließen, Abschiede und auch mein Arbeitsplatz ist bedroht. Immer öfter kreisen meine Gedanken – um Sicherheiten und Strategien mit den Satzanfängen „was wäre wenn…“
Was kann ich noch tun, wie bereite ich mich vor, was kann ich ändern, wo kann ich sparen – und wieder die Gedanken, das Durcheinander in meinem Kopf, die Gefühle, die damit einhergehen.
Was kann ich noch machen, um Ruhe zu finden? beten, meditieren, Yoga, spazieren gehen?
Will ich eigentlich gerade die Ruhe oder ist es nicht etwas „zu platt“ mich in Zeiten von Kriegen auf ein Sitzkissen zu setzen, die Augen zu schließen und om om om zu tönen?
Wie einfach und selbstverständlich war mein Leben doch noch vor der Pandemie: alles lief, und ich ging meinen Weg, tagein, tagaus. Natürlich gab es hier und da Herausforderungen und Missverständnisse und auch Krankheiten – und ja; ich brauchte auch etwas Mut und Risikobereitschaft, um es etwas anders zu machen, etwas andere Wege zu gehen.
Aber was kann ich aktuell tun?
Hilft Yoga?
Heute entschließe ich mich zum Yoga zu gehen. Ob es was bringt, ob es mir gerade hilft; ich weiß es nicht.
Jetzt mache ich mich auf den Weg; etwas müde, der Tag war anstrengend und so ganz gesund fühle ich mich auch nicht. Etwas matt, wo ist meine Energie? Ich erinnere mich noch; da war im Yoga immer so ein Wort, ach „Prana“ – positive Lebensenergie, Lebendigkeit – ja davon sprach doch Niels auch so oft und auch meine anderen Yogalehrer*innen.
Und ich habe diese Energie nach den Stunden fühlen können – stimmt; da ist was dran. Ob es mir heute gelingen wird? Ich bin schon so raus, habe so lange kein Yoga gemacht und mein Körper, oh je, das wird einen Muskelkater geben.
Heute gehe ich hin. Ich muss ja nicht so viel machen, langsam, so Schritt für Schritt. Der Entwicklungskurs ist heute; mit Thema. Es sind die Rückbeugen, wow, die sind so wertvoll für meinen oberen Rücken. Ich erinnere mich, wie ich damals warm wurde während des Übens und wie sich meistens ein Lächeln auf meinem Mund breit machte. Vor der Pandemie. Das ging tatsächlich. Und nach der Stunde war mein Körper so lebendig und aufgerichtet. Klar; manchmal war es auch zu viel und der Muskelkater heftig, aber ich bekam es immer mehr in den Griff.
Yoga hilft!
Ja, jetzt Yoga. Ich gehe in den kleinen Solis Flur. Und schon ist er da, dieser ganz besondere Geruch, Geschmack und ein einladendes Lächeln. Es ist, als wären plötzlich all meine Sorgen nicht mehr da und ich kann ganz und gar auf meiner Matte ankommen. Ich richte mich ein und sage mir, ganz still, dass das jetzt nur für mich ist. Diese nächsten Minuten gehören nur mir. Egal, was jetzt noch passiert. Und da ist sie auch schon; die Stimme, an der ich mich orientieren kann – sie sagt: „atme ein, atme aus. Atme ein und atme aus.“ So viel Ruhe liegt in der Stimme, wie ein schöner Gesang. Ich lehne mich ganz an und atme, jetzt. Wir kreisen unsere Gelenke und bereiten uns vor, jede*rso wie es eben geht. Ich komme langsam an. Dann das Mantra, ich habe es schon fast vergessen. Wir tönen im Wechsel; erst die Lehrkraft, dann wir alle im Raum. So ein schönes Ritual. Jetzt bin ich da. Mein Körper, mein Atem, mein Geist. Ich kümmere mich um mich.
Es ist eine Auszeit, getragen von einer Stimme, einem schönen Raum und Mityogi*nis. Es zieht ein weicher Duft in meine Naseneingänge, von Räucherstäbchen aus der Yogaschule – nicht gezündet, doch der Duft ist da. Ich sehe die Kerze und die Blumenanrichtung in der Ecke im Raum; eine Sonnenblume, die so schön strahlt und sich in ihrer Schönheit zeigt.
Ich atme ein und atme aus, gehe durch die Praxis und bewege mich mal mehr und mal weniger in den Formen der Rückbeugen. Haach, tut das gut. Bald folgt die Abschlusssequenz, die im aufrechten Sitz ihre Krönung findet. Und da sind sie wieder, meine zu Beginn gestellten Fragen: Macht es Sinn jetzt Yoga zu praktizieren, zu meditieren und om zu tönen? Die Frage beantwortet sich von selbst.
Ich bin bei mir und genieße nun die Schlussentspannung. So schön. Ich bin für meinen Körper, meinen Atem und meinen Geist da – jetzt erst recht.