Die Wirkungsweisen von Drishti (Teil 3)
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09.09.2019 10:00
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Kategorie: Ashtanga Yoga, Meditation, Themenorientierter Unterricht
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Die Wirkungsweisen von Drishti (Teil 3)

Wenden wir Drishti auf die Art und Weise an, die im vorangegangenen Beitrag beschrieben wurde (Die Anwendung von Drishti (Teil 2)), wird es sich in unterschiedlichen Wirkungsweisen zeigen. Hier sollen fünf wichtige und beeindruckende Wirkungsweisen beschrieben werden, die zeigen, wie gewinnbringend die Anwendung von Drishti sein kann.

Wirkungsweise 1: Drishti unterstützt die Bewegung

Unser Körper ist eine faszinierende Einheit aus komplexen funktionalen Verbindungen. Eine Aktion in einem kleinen Teil des Körpers hat immer Auswirkungen auf andere Bereiche. Bewegen Muskeln ein Gelenk wird diese Aktion über verbindendes Gewebe in andere Teile des Körpers übertragen und dort wahrnehmbar.

Befassen wir uns in diesem Zusammenhang mit unseren Augen, entdecken wir beeindruckende Verbindung zu anderen Körperteilen.
Eine faszinierende funktionale Einheit besteht zwischen den Augenmuskeln und den Hals- und Nackenmuskeln. Eine Aufgabe der Hals-Nacken-Muskeln ist es den Kopf immer in der gewünschten Blickrichtung zu halten. Deutlich spürbar wird es, wenn wir versuchen entgegen unserer Bewegungsrichtung zu schauen. Sogenannte Telerezeptoren unserer Sinnesorgane, die weit entfernte Reize aufnehmen, ermöglichen eine reflektorische Bewegung des Kopfes hin zur Reizquelle. Augen, Nase und Ohren sind unsere Sinnesorgane, die Reize aus weiter Entfernung wahrnehmen können.

Da wir zur Orientierung vor allem unsere Augen verwenden, wenden wir unseren Kopf hauptsächlich visuellen Reizen zu. Damit sich unser Kopf unwillkürlich und reflektorisch diversen Reizen zuwenden kann, die wir sehen, ist es notwendig, dass eine neuromuskuläre Verbindung zwischen Augenmuskeln und Hals-Nacken-Muskeln besteht. Diese neuromuskulären Verbindungen bewirken, dass wir unseren Kopf und nachfolgend den Rest des Körpers so ausrichten können, dass wir das Gesehene bestmöglich wahrnehmen können.

Mit einer einfachen Übung können wir diese Verbindung spüren:
Lege dafür Deine Finger zu Deinen Nackenmuskeln. Schaue nun nach oben und nach unten. Du solltest eine Bewegung Deiner Nackenmuskeln wahrnehmen können. Wiederhole die Übung an Deiner Halsmuskulatur. Vielleicht konntest Du wahrnehmen, dass sich die Nackenmuskeln anspannen, wenn Du hoch schaust und die Halsmuskeln aktiv werden, wenn Du nach unten schaust.
Der Blick nach oben bereitet über die Aktivierung der Nackenmuskeln die Bewegung nach oben vor, während der Blick nach unten die Bewegung durch die Anspannung der Halsmuskeln vorbereitet.

Wirkungweise 2: Drishti bietet Orientierung

Sehen ermöglicht den Raum um uns herum in einem dreidimensionalen Bild zu erfassen. So orientieren wir uns und wissen, wo wir uns im Raum befinden. Dieses äußere Bild leistet einen großen Beitrag in der Koordination unseres Körpers. Bewegungen sind einfacher und feiner, wenn wir unsere Augen dabei nutzen können. Die Augenbewegungen bestimmen die Bewegungsrichtung des Körpers. In die Richtung, in die man schaut, geht und fährt man auch.

Zudem ermöglichen automatische Bewegungen der Augen eine Orientierung für unseren Körper. Unsere Augen sorgen dafür, dass wir bei Kopf- und Körperbewegungen weiterhin ein konstantes Bild sehen, ohne dass es zerrissen oder abgehakt erscheint. Der Vestibulookkuläre Refelx bewirkt, dass wir ein konstantes Bild sehen, auch wenn wir uns bewegen. Reflexhaft werden unsere Augen so bewegt, dass ein Punkt fixiert werden kann, sodass wir ein stabiles Bild erhalten. Diese Anpassungen durch Bewegungen der Augen dienen unserem Gleichgewichtssystem (vestibuläres System) als wichtige Informationsquelle, um den Körper in Balance zu halten.
Nutzen wir Drishti fordern wir zunächst unsere Orientierung im Raum, unser Gleichgewicht und die Ausführung von Bewegungen. Durch die Herausforderung trainieren wir unsere Orientierung im Raum, verbessern unser Gleichgewicht und unsere Fähigkeit komplexe Bewegungen zu bewältigen.

Wirkungsweise 3: Drishti verbessert die Gesundheit und Funktion der Augenmuskulatur

Als Skelettmuskeln sind die Muskeln der Augen genauso trainierbar wie andere Muskeln unseres Bewegungsapparates. Um die Augenmuskulatur gesund zu erhalten und in ihrer Funktion zu verbessern, müssen wir sie bewegen. Bei der Anwendung von Drishti bewegen wir unsere Augen in alle erdenklichen Richtungen – sowohl dynamisch wie statisch. Über die Bewegung der Augen kräftigen und dehnen wir die Muskulatur. Die Bewegungen lösen Verspannungen, was nicht nur an den Augen sondern auch im Hals- und Nackenbereich spürbar werden kann.

Wirkungsweise 4: Drishti verbessert die Fähigkeit zur Aufmerksamkeitslenkung

Wir geben unseren Augen eine simple Aufgabe: Folge der Bewegung. Simpel heißt nicht unbedingt leicht. Wir bemühen uns die Augen auf einen Punkt auszurichten, doch merken schnell, dass die Augen gerne mal einen Blick von Außen erhaschen wollen. Vielleicht wollen wir sehen, wie unser/e Mattennachbar/in akrobatisch hin und her springt oder wie das Wetter ist oder was alles zwischen den Füßen klebt. Diese meist unwillentliche Ausrichtung der Augen zu einem äußeren Reiz ist eine reflexhafte Handlung. Genau diesen reflexhaften Handlungen können wir unsere Aufmerksamkeit schenken. Immer dann, wenn wir merken, dass unsere automatische Ausrichtung gesiegt hat, bringen wir die Augen bewusst und willentlich zur vorgegebenen Aufgabe zurück. Drishti ist ein Spiel mit der Aufmerksamkeit. Wir bemühen uns mit Drishti die Sinne nach innen zu richten (Pratyahara). Wir ziehen unsere Aufmerksamkeit von außen nach innen und lernen die Aufmerksamkeit bewusst zu lenken. Damit trainieren wir unsere Aufmerksamkeit und verbessern unsere Fähigkeit uns willentlich auf etwas zu fokussieren.

Wirkungsweise 5: Drishti unterstützt die bewegte Meditation

Der parasympathische Teil unseres Nervensystems ist die Schaltzentrale für Erholung, Regeneration, Entspannung und Meditation. Dieses System wird über Nerven gebildet und durchzieht den gesamten Körper. Ein großer Teil des parasympathischen Nervensystems sitzt als Geflecht im Halsbereich (plexus cervicalis). Wir verfügen über insgesamt 12 paarigen Hirnnerven, von denen einige dem parasympathischen Nervensystem zugeordnet sind. Der wichtigste parasympathische Nerv ist der 10. Hirnnerv mit dem Namen „ventraler Vagus“. Dieser Nerv ist ein Vagabund, weil er sich im ganzen Körper verzweigt.

Hirnnerven sind nach außen verlagertes Hirngewebe, was sie zu besonderen Reizüberträgern macht. Die Hirnnerven treten aus dem Hirnstamm aus und ziehen von dort aus zum Gesicht, Hals, Nacken und inneren Organen. Im Hirnstamm sind einige Nerven eng miteinander vernetzt und beeinflussen sich gegenseitig. Dabei gibt es Hirnnerven, die besonders eng miteinander verbunden sind und gemeinsam eine Entspannungsreaktion im Körpers hervorrufen.

Empfängt der ventrale Vagus im Hirnstamm Signale von Entspannung anderer Hirnnerven, leitet er diese Signale – in seiner Funktion als Kommunikator – an andere Hirnnerven und innere Organe (z.B. Herz und Lunge) weiter, sodass eine Entspannungsreaktion entsteht. Ein wichtiger Partner des ventralen Vagus ist der motorische Augennerv (3. Hirnnerv – nervus oculomotorius), der auch Teil des Parasympathikus ist. Der motorische Augennerv steuert Augenmuskeln, die uns unsere Augen bewegen lassen, sodass wir z.B. auf die Nasenspitzen oder das Augenbraunzentrum schauen können. Da motorische Funktionen der Muskulatur dieses Hirnnervs mit Entspannungsreaktionen gekoppelt sind, können Bewegungen der Augen genutzt werden, um einen Entspannungszustand einzuleiten. Dieser Zusammenhang von Augenbewegungen und Entspannungszustand erklärt meditative Techniken, bei denen man für längere Zeit auf die Nasenspitze schaut. Für unsere Ashtanga Yoga Praxis bedeutet die Anwendung von Drishti, dass die Praxis zu einer bewegten Meditation wird. Drishti stimuliert unser parasympathisches Nervensystem und erzeugt einen Zustand von Meditation, Entspannung und Sicherheit.

Autor: Niels Gödecke von Vapa Yoga in Greifswald.

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